Das Hinweisgeber-Schutzgesetz: Wir machen das mit dem Briefkasten!

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist da!

Nun wird es ernst: Bundestag und Bundesrat haben das Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen und es tritt zum 2. Juli 2023 in Kraft. Diese Entwicklung wird in sehr vielen deutschen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden dazu führen, dass die Einführung eines Hinweisgeber-Systems in der Agenda ganz weit nach oben rutscht. Verantwortliche werden losgeschickt, damit sie nach passenden Lösungen suchen, um die Kosten, das Handling, den Einführungs- und Betreuungsaufwand und die zukünftige Ressourcenbindung aufzuzeigen. Das Hinweisgeberschutzgesetz, basierend auf der im Dezember 2021 in Kraft getretenen EU-Richtlinie 2019/1937, gibt den betroffenen Unternehmen zwar einen klaren Rahmen vor (nachzulesen in einem früheren Blogbeitrag), lässt aber genügend Spielraum bzgl. der Form des Hinweisgeber-Systems. Ergo: Man muss sich schon genauer mit den möglichen Lösungen beschäftigen und sowohl die Herausforderungen bei der Einführung als auch die Abläufe im gesamten Meldeprozess im Vorfeld definieren.

Im nachfolgenden Beitrag, begleiten wir ein fiktives Unternehmen Schritt für Schritt bei seinem Entscheidungsprozess für ein Hinweisgeber-System, zugegebenermaßen mit leichtem Augenzwinkern ;-).

Der Auftrag: Suchen Sie ein passendes Hinweisgeber-System!

Die Produktion GmbH, ein Unternehmen mit 260 Beschäftigten, davon 200 in der Produktion an zwei Standorten und 60 in der Verwaltung, sucht ein passendes Hinweisgeber-System. In der letzten Sitzung des Führungskreises wurde Herr Neumann mit der Aufgabe betraut, sich schlau zu machen und beim nächsten Mal seine Vorschläge zu präsentieren. Herr Neumann ist nicht gerade begeistert. Er verantwortet in seiner Abteilung bereits die Bereiche Personal, Buchhaltung und die IT und hat damit schon genug zu tun. Aber Aufgabe ist Aufgabe, also macht er sich an die Arbeit und prüft die vom Gesetzgeber vorgegeben Parameter.

Der Meldekanal eines Hinweisgeber-Systems soll leicht verständlich und zugänglich für alle Hinweisgebenden sein.

Als mögliche Meldekanäle findet Herr Neumann folgende:

  • Telefon-Hotline
  • Chat- oder Talk-Bot
  • Externe Ombudsperson
  • E-Mail/Postfach
  • Online-Plattform
  • Briefkasten/Postweg

Herr Neumann klopft die verschiedenen Angebote für sich ab:

Wer nutzt eine Telefon-Hotline? Von seinen Kindern weiß er, dass sie noch eher Rauchzeichen geben, als zum Telefonhörer zu greifen. Nein, diesen Meldekanal schließt Herr Neumann aus. Chat-Bot? Sich mit einem Programm über vertrauliche Themen unterhalten? Nein, auch diesen Meldekanal hält Herr Neumann für völlig ungeeignet. Eine externe Ombudsperson? Allein bei dem Gedanken an die hohen Stundensätze treibt es Herrn Neumann fast die Tränen in die Augen. Also wieder nein, auch für diese Möglichkeit. Wie sieht es mit der Online-Plattform aus? Herr Neumann erinnert sich an das endlose Projekt der Einführung eines ERP-Systems und daran, wie seine IT-Mannschaft noch immer damit zu kämpfen hat. Nein, ein neues System kommt ihm auf gar keinen Fall ins Haus und somit scheidet dieser Meldekanal auch aus. Bleibt noch das elektronische Postfach und der gute alte Briefkasten. Mit beiden Varianten kann sich Herr Neumann anfreunden und bereitet eine Unterlage für das nächste Treffen im Führungskreis vor.

Die Entscheidung: Wir machen das mit dem Briefkasten!

Im nächsten Meeting präsentiert Herr Neumann seine Vorschläge. Das Argument seines Kollegen aus der Produktion, dass seine Leute nicht am Computer sitzen und E-Mails schreiben können, ist letztendlich ausschlaggebend für die einstimmige Entscheidung: Wir machen das mit dem Briefkasten! Mit dem neuen Aufgabenpaket, das Briefkasten-Hinweisgeber-System schnellstmöglich umzusetzen, macht sich Herr Neumann an die Arbeit:

  1. Briefkasten aufstellen

Die Firma, für die Herr Neumann arbeitet, hat einen Verwaltungsstandort mit einer Produktionshalle und einem weiteren Produktionsbetrieb in 150km Entfernung. Herr Neumann beschließt in jedem Gebäude einen Briefkasten neben dem Schwarzen Brett aufzustellen, so dass die Mitarbeitenden auch gleich über den neuen Hinweisgeber-Kanal und seinen Zweck informiert werden können. Da auch Geschäftspartner den Meldekanal nutzen sollen, hat Herr Neumann ein Schreiben für Kunden, Lieferanten und Dienstleister erstellt und dem Vertrieb sowie dem Einkauf zur Verteilung weitergeleitet. Als Meldestelle hat er seine eigene Büro-Adresse angegeben.

  1. Den Briefkasten leeren

Da Hinweisgebende gemäß der EU-Richtlinie innerhalb von sieben Tagen eine Bestätigung über den Eingang ihrer Meldung erhalten müssen, nimmt sich Herr Neumann vor, den Briefkasten immer montags und donnerstags zu leeren. Für die entfernte Produktionsstätte beauftragt er den dortigen Verantwortlichen der Qualitätssicherung und übergibt ihm dafür den Briefkastenschlüssel. Falls Herr Neumann im Urlaub oder krank ist, hat er seinen Assistenten für die Leerung beauftragt und ihm die Briefkasten-Zweitschlüssel dafür ausgehändigt.

Der Meldeprozess im Briefkasten-Hinweisgeber-System

Für Herrn Neumann heißt es jetzt abwarten, bis der erste Hinweis im Briefkasten landet. Bereits in der ersten Woche sind drei Briefe eingeworfen worden. Im ersten beschwert sich ein Mitarbeiter über das katastrophale Kantinenessen. Im zweiten macht sich eine Mitarbeiterin Gedanken über den enormen Energieverbrauch des Unternehmens und hat auch ein paar Vorschläge zur Verbesserung. Der dritte Brief könnte ein echter Hinweis über einen Compliance-Verstoß sein. Darin wird beschrieben, dass der Vertriebsleiter schon seit Jahren regelmäßig Aufträge an den Wettbewerber weitergibt, statt sie selbst anzunehmen. Da könnte etwas dran sein, Herr Neumann hat zumindest mitbekommen, dass die Vertriebszahlen nicht so rosig aussehen. Er würde gerne konkretere Angaben bekommen, wie das laufen soll, aber der Hinweis ging anonym ein.

Im nächsten Arbeitsgespräch mit der Geschäftsleitung spricht Herr Neumann den Fall an. Da es nur einen anonym geäußerten Verdacht gibt, wird auf eine Konfrontation mit dem Vertriebsleiter verzichtet und man einigt sich, in Zukunft etwas genauer auf die Kundenaufträge zu achten und enger zu führen. Auf dem Rückweg in sein Büro begegnet Herr Neumann dem Vertriebsleiter auf dem Flur und sie unterhalten sich kurz. Allerdings fühlt sich Herr Neumann sehr unbehaglich und ist froh, als er endlich weitergehen kann. Zurück im Büro erwartet ihn ein Briefumschlag mit Hinweisen vom 150km entfernten Produktionsstandort. Das hat ihm gerade noch gefehlt. Nein, die kann er heute nicht mehr beantworten, die müssen warten. Er packt den Umschlag in seine Schreibtischschublade und macht Feierabend, da ihm schon den ganzen Tag nicht richtig wohl ist.

Es ist 14 Tage später. Herrn Neumann hatte eine richtig heftige Grippe erwischt und er ist endlich wieder fähig zu arbeiten. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Unterlagen und in seinem E-Mail-Eingang leuchten 183 ungelesene Mails rot auf. Wann wird sich Herr Neumann wohl an die eingegangenen Hinweise in seiner Schreibtischschublade erinnern?

Learnings für die Einführung eines Hinweisgeber-Systems

Ja, die Geschichte von Herrn Neumann ist frei erfunden, aber sie dient dazu, die wichtigsten Punkte bei der Einführung eines Hinweisgeber-Systems deutlich zu machen und aufzuzeigen, welche Konsequenzen zu kurz gedachte Entscheidungen mit sich bringen.

  • Beeinflussende Faktoren für ein Hinweisgeber-System

Der Meldekanal und die Organisation des Hinweisgeber-Systems hängt von der Größe, Struktur und der Kultur Ihres Unternehmens ab. Zentrale oder dezentrale Installation? Interne oder externe Bearbeitung? Analoge oder digitale Kommunikation? Möglich ist alles, es muss nur zu Ihrem Unternehmen passen.

  • Klare Richtlinien zu den Meldungen

Welche Hinweise sollen gemeldet werden? Und wer darf melden? Legen Sie klar fest, welche Verstöße über das Hinweisgeber-System bearbeitet werden und wohin man z.B. Verbesserungsvorschläge oder Kundenbeschwerden meldet. Hinweisgebender kann laut Gesetzentwurf jeder sein, der ein Fehlverhalten im beruflichen Zusammenhang beobachtet hat. Somit umfasst das neben Ihren aktuellen Mitarbeitenden und Geschäftspartnern auch die ehemaligen und potenziell zukünftigen. Informieren Sie diese Gruppen gezielt darüber und kommunizieren Sie ihnen den konkreten Meldeablauf, am besten in regelmäßigen Abständen.

  • Der Bearbeitungsprozess

Egal für welchen Meldekanal Sie sich entscheiden, Sie müssen bei jedem den Bearbeitungsprozess bis zum Ende durchdenken, das bleibt Ihnen nicht erspart. Wer liest die Hinweise zuerst und bewertet Sie? Ist das eine interne oder externe Stelle? Im Falle einer internen Meldestelle sollte diese über die notwendige Fachkunde verfügen und unabhängig tätig sein. Darüber hinaus sollte ein Bearbeitungsteam festgelegt werden, das je nach Fall zur Beratung zusammen kommt. Bei größeren Untersuchungen sollten Sie auf externe Spezialisten zugreifen können.

  • Rollendefinition

Wer darf die Hinweise lesen? Wer bearbeiten? Wer kommuniziert mit dem Hinweisgebenden? Bei einem solch sensiblen Thema wie „Whistleblowing“ sollte der Kreis der Beteiligten klein gehalten werden. Eine Stelle, inkl. Vertretung, die die Meldungen zuerst sichtet und bewertet reicht völlig aus. Oft endet bereits an diesem Punkt der Prozess, warum also eventuell Unschuldige mit einem Makel belegen.

  • Datenschutz

Neben den Daten des Hinweisgebenden können personenbezogene Daten von betroffenen oder weiteren Personen gemeldet werden und die Vorgaben der DSGVO müssen zwingend eingehalten werden. Die Meldestellen haben die Dokumentation zu den Meldungen für in der Regel drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens aufzubewahren und dann zu löschen.

Was würden wir Herrn Neumann empfehlen?

Wäre Herr Neumann auf uns zugekommen, hätten wir ihm den Briefkasten als Meldekanal nicht sofort ausgeredet. Uns ist es wichtig, dass sich die Verantwortlichen vor der Einrichtung eines Hinweisgeber-Systems mit den Prozessen auseinandersetzen, sie klar definieren und ihre eigenen Schlüsse für die Umsetzung in ihrem Unternehmen ziehen. Die Vorteile einer digitalen Lösung sind jedoch nicht von der Hand zu weisen und auf Dauer zeit- und ressourcenschonender:

  • einfacher Zugang zum System – unabhängig von Ort und Zeit
  • integrierter Workflow mit Terminerinnerung
  • Kommunikation mit dem Hinweisgebenden -auch anonym- möglich
  • Übersicht über alle Meldungen im jeweiligen Bearbeitungsstand
  • Dokumentation und Ablage gemäß DSGVO

Am Ende lautet unsere Empfehlung immer: „Machen Sie das mit der digitalen Hinweisgeber-Lösung!“

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2 Kommentare zu „Das Hinweisgeber-Schutzgesetz: Wir machen das mit dem Briefkasten!“

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